Corona-Pandemie wütet in bayerischen Unterkünften für Geflüchtete

Nach einem Jahr Coronapandemie zeigt sich: Bayern hat mit seiner harten Linie versagt / Flüchtlingsrat fordert Schließung der großen Flüchtlingslager und dezentrale Unterbringung

Nach einem Jahr Coronapandemie zeigen sich deutlich die Fehler der bayerischen Staatsregierung beim Infektionsschutz in Flüchtlingslagern, in denen die zweite Pandemiewelle wütet. In einer Gemeinschaftsunterkunft in Tirschenreuth wurde die Hälfte der dort untergebrachten fast 100 Geflüchteten positiv auf das Coronavirus getestet. Die gesamte Unterkunft wurde unter Quarantäne gestellt. Obwohl seit Monaten wissenschaftlich belegt ist, dass die Kollektivquarantäne kein adäquates Mittel zur Pandemiebekämpfung darstellt, soll diese auch in 39 weiteren bayerischen Gemeinschafts- oder dezentralen Unterkünften gelten.

Auch zwei ANKER-Zentren sind von Quarantänemaßnahmen betroffen, darunter das ANKER-Zentrum Bamberg. Die Regierung von Oberfranken hat zur Durchsetzung der Quarantänemaßnahmen mehrere Gebäude zu Quarantäneblocks erklärt, in denen Infizierte und Kontaktpersonen untergebracht werden. Mit einem brachialen Polizeieinsatz wurden diese Gebäude geräumt. Innerhalb kürzester Zeit mussten die Bewohner*innen Zimmer und Gebäude wechseln. „Uns haben unabhängig voneinander mehrere Hilferufe betroffener Personen erreicht. Die geschilderten Zustände und Bilder sind menschenunwürdig“, kritisiert Pfarrerin Mirjam Elsel, Koordinatorin der Flüchtlingsarbeit im Dekanat Bamberg und Mitorganisatorin der Bamberger Mahnwachen Asyl. „So kann man in unserem reichen Land nicht mit Menschen umgehen.

Zahlen des Mediendienstes Integration zeigen deutlich, dass Bayern bei den Infektionszahlen in Flüchtlingslagern mit großem Abstand an der Spitze im bundesweiten Vergleich liegt. Besonders deutlich werden die Unterschiede, wenn man den direkten Vergleich zu einem anderen Bundesland zieht. Bayern hat knapp 18 % mehr Einwohner*innen als Baden-Württemberg und 38 % mehr Coronainfizierte in der Gesamtbevölkerung seit Beginn der Pandemie. In den Erstaufnahmeeinrichtungen/ANKER-Zentren hat Bayern jedoch stolze 110 % Coronainfizierte mehr als Baden-Württemberg. Das sind mehr als doppelt so viele, und viel mehr, als nach den allgemeinen Kennzahlen zu erwarten wären.

Dies ist die Folge der Unterbringungsart. Geflüchtete sind nicht in der Lage, in ihren Unterkünften die einfachsten Hygieneregeln einzuhalten. Wer mit vielen anderen Menschen in Mehrbettzimmern lebt und Küchen, Waschräume und Toiletten teilt, ist einem massiv erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Baden-Württemberg hat gegengesteuert und durch die Anmietung weiterer Unterkünfte die Belegungsdichte in den Erstaufnahmeeinrichtungen reduziert. Bayern hingegen hat keinerlei zusätzliche Unterkünfte angemietet, die Belegung in ANKER-Zentren und Gemeinschaftsunterkünften kaum entzerrt und landet dafür bei den Covid-Infektionen auf dem letzten Platz.

Der Bayerische Flüchtlingsrat hat von Beginn der Pandemie an gefordert, die Belegung der Unterkünfte massiv zu reduzieren und Menschen in Hotels, Jugendherbergen, REHA-Kliniken und ähnlichem unterzubringen. Doch Bayern ist von seiner harten Linie der Unterbringung in Flüchtlingslagern keinen Millimeter abgewichen“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Es ist jetzt dringend notwendig, die harte Linie zu überdenken und die Belegung in den bayerischen ANKER-Zentren und den weiteren Unterkünften massiv zu entzerren. Zudem müssen die großen Flüchtlingslager schnellstmöglich geschlossen und Geflüchtete dezentral untergebracht werden, wenn schon nicht aus humanitären Gründen, dann wenigstens aus Gründen des Infektionsschutzes!