Unwirksam und menschenrechtsverachtend

Bayerischer Flüchtlingsrat kritisiert die Beschlüsse der Minister:innenkonferenz und fordert ein Ende des geflüchtetenfeindlichen Populismus

Bundeskanzler Scholz und die Ministerpräsident:innen der Länder haben in der vergangenen Nacht einige asylpolitische Absprachen getroffen. Die Maßnahmen betreffen auch Geldleistungen an Geflüchtete. So sollen die reduzierten Grundleistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) von 18 auf 36 Monate verlängert werden. Weiter soll eine Bezahlkarte für Geflüchtete eingeführt werden, die Bargeldabhebungen einschränken oder ganz abschaffen will.

„Die geplanten Maßnahmen sind hinsichtlich einer geplanten Abschreckung größtenteils unwirksam, nur mit extremem bürokratischen Aufwand umzusetzen und unterlaufen Integrationsbemühungen“, kritisiert Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „In bayerischen ANKER-Zentren erhalten Geflüchtete ohnehin häufig Sachleistungen und haben zum Teil nur wenige Euros zur freien Verfügung. Wir fordern die Abschaffung von Arbeitsverboten und der Lagerpflicht. Dies wären sinnvolle erste Schritte, die Kommunen effektiv zu entlasten, ohne schutzsuchende Menschen weiter an den Rand der Gesellschaft zu drängen.“

Der Bayerische Flüchtlingsrat befürchtet, dass die Beschlüsse massive integrationsfeindliche Konsequenzen mit sich ziehen. Durch die Verlängerung der Grundleistungen haben Geflüchtete weiterhin einen erschwerten Zugang zu ärztlicher Versorgung. Zudem sind sie von Instrumenten der Arbeitsmarktintegration weitgehend ausgeschlossen. Dass über das ohnehin schon wenige Geld nun nur noch im Rahmen einer Bezahlkarte verfügt werden kann, birgt weitere ausschließende Gefahren. Es besteht kaum noch die Möglichkeit, Rechtsbeistände oder private Deutschkurse sowie Materialgeld für den Kindergarten oder einen Schulausflug zu bezahlen.

Zudem sehen wir in den Beschlüssen massive verfassungs- und datenschutzrechtliche Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2012 festgestellt, dass die Menschenwürde, migrationspolitisch nicht zu relativieren ist und das AsylbLG gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum verstößt. Die Bezahlkarte indessen stellt einen eklatanten Einschnitt in das Selbstbestimmungsrecht dar, wenn bestimmte Geschäfte oder Produkte von dem Bezahlvorgang ausgeschlossen werden. Darüber hinaus ist völlig unklar, welche Daten auf der Karte gespeichert werden und wer auf diese zugreifen kann.

Einigen Ministerpräsident:innen gehen die Beschlüsse des Gipfeltreffens allerdings nicht weit genug. Der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder fordert vor allem mehr Zurückweisungen an den Grenzen. Diese sind allerdings nach wie vor europarechtlich nicht ohne Weiteres zulässig. Weiter sieht Söder die politische Stabilität des Landes gefährdet, wenn Migration nicht umfassend begrenzt wird.

„Die Beschlüsse nähren die rassistische Erzählung von der Einwanderung in Sozialsysteme. Sozialleistungen spielen bei Fluchtgründen jedoch, wenn überhaupt, nur eine sehr marginale Rolle“, so Böhm weiter. „Die politische Stabilität ist vor allen Dingen dadurch gefährdet, dass deutsche Politiker:innen Geflüchtete zu Sündenböcken für das sozialpolitische Versagen der letzten Jahre machen. Dieser geflüchtetenfeindliche Populismus ist brandgefährlich und muss ein Ende haben.“