Privatsphäre

In ANKER-Zentren wird die Privatsphäre der Bewohner:innen massiv beschnitten. Sie sind in Mehrbettzimmern untergebracht und müssen sich Bäder, Toiletten und Gemeinschaftsräume mit bis zu 16 Personen teilen. Teils bestehen die Unterkünfte auch einfach nur aus riesigen Hallen, die durch Bretter oder Bauzäune abgeteilt werden. Die Menschen können ihre Zimmer oftmals nicht verschließen und das Sicherheitspersonal hat jederzeit überall Zugang. Selbst Badezimmer können an vielen Standorten nicht abgeschlossen werden – besonders Frauen müssen so in ständiger Angst vor Übergriffen leben.

Gerade bei bereits traumatisierten Menschen verstärkt dies Ängste und vergrößert psychische Probleme. Zudem lässt das dauerhafte Fehlen von privaten Räumen und Rückzugsmöglichkeiten unter den Bewohner:innen zusätzlich Spannungen und Konflikte entstehen.

Blessing, 25, Nigeria, ein Jahr und neun Monate mit ihrem Sohn (1,5) in Manching/Ingolstadt:
Einmal habe ich im Badezimmer geduscht und ein Security kam herein und hat meinen nackten Körper gesehen. Als ich es dem Personal gesagt habe, wurde nichts unternommen. Sie haben nichts dagegen getan und ich bin nicht die Einzige. Mehrere Menschen haben das Gleiche erlebt und nichts wurde getan.

Rajeh, 29, Jemen, sechs Monate mit Frau und Tochter (2) in Manching/Ingolstadt:
Ich habe mich isoliert gefühlt, es gibt keine Privatsphäre. Die Zimmer können nicht abgesperrt werden, sie bleiben die ganze Zeit offen. Es werden sehr oft Dinge gestohlen, also lässt man nichts im Zimmer.

Murat, 42, Kosovo, drei Jahre und zwei Monate mit seiner Familie in Manching und Dependancen:
Wir mussten alle zusammen in einem Raum leben und die Kinder konnten nicht zur Schule gehen, wir mussten alle zusammen in einem Raum essen, es war wie im Gefängnis. Ich habe immer noch auf die Entscheidung des BAMF gewartet. Die Kinder mochten das Essen nicht, das es dort gab. Sie baten mich immer, etwas anderes zu kaufen, aber das war schwierig, weil die Security nicht erlaubte, etwas von außerhalb mit hineinzubringen, denn das war eine Entscheidung der Regierung. Die Securities kamen jede Woche, manchmal auch zwei Mal pro Woche, um das Zimmer zu kontrollieren. Diese Kontrollen waren sehr aggressiv, Sachen wurden heruntergeworfen, wir wurden angeschrien, sie haben sogar Dinge aus unserem Zimmer mitgenommen und behauptet, sie wären nicht erlaubt. Die Securities haben begonnen, ihre eigenen Regeln zu machen.

Ankerzentren machen krank (Deutsches Ärzteblatt, 17.01.2020)