Newsletter 10/2020

Themen

Chaotische Quarantäne-Situation im ANKER-Zentrum Bamberg

Die Covid-19 Infektionszahlen in Bayern steigen weiter an. Jedoch hat sich die Bayerische Staatsregierung nicht genügend darum gekümmert, Geflüchteten in Massenunterkünften ausreichend Schutz zu bieten. Beispielsweise ist im ANKER-Zentrum Bamberg die Quarantäne Situation chaotisch. Neuankommende Geflüchtete aus anderen Ländern werden hier in dieselbe Wohneinheit verlegt als Mensche, die sich schon seit mehreren Tagen unter Quarantäne befinden, Testergebnisse nicht rechzeitig mitgeteilt oder die Quarantänebestimmungen den Bewohnerinnen nicht mitgeteilt. Zwar werden Geflüchtete vermehrt aus den großen Lagern in kleinere Unterkünfte verlegt. Dies führt jedoch vor allem zu einer Überbelegung in diesen Unterkünften. Das kann zu Konflikten führen, die jedoch vor allem durch eskalatives polizeiliches Eingreifen statt Deeskalation geklärt werden, wie es in einer Unterkunft in Weiden der Fall war: In ein dicht belegtes Zimmer sollte eine dritte Person verlegt werden, wovon eine Person bereits positiv getestet wurde. Die Bewohnerinnen weigerten sich eine weitere Person aufzunehmen. Daraufhin rief die Lagerleitung die Polizei, die einen in Panik geratenen Bewohner mit Gewalt fixierten und ihm ein Beruhigungsmittel injizierten. Diese Konflikte werden wahrscheinlich in den nächsten Tagen und Wochen zunehmen.


Zahlreiche Unterkünfte für Geflüchtete unter Quarantäne

Bayerischer Flüchtlingsrat und IMEDANA e.V. kritisieren: Staatsregierung hat aus erster Welle nichts gelernt

In ganz Deutschland steigen derzeit die Coronazahlen massiv an. Diese Entwicklung hat sich bereits seit Wochen abgezeichnet. Und wieder trifft es Geflüchtete in Unterkünften besonders hart. Zahlreiche Einrichtungen stehen mittlerweile wegen Infizierungen der Bewohner*innen mit dem Coronavirus unter Quarantäne.

Schwer betroffen ist dabei das ANKER-Zentrum in Zirndorf. Dort hat sich mittlerweile mehr als ein Viertel der rund 200 Bewohner*innen infiziert. Die Einrichtung steht seit zwei Wochen unter Quarantäne, ein Ende ist aufgrund immer neuer Positivtestungen nicht in Sicht. Nur wer nach einer überstandenen Coronainfektion wieder negativ getestet wird, darf die Einrichtung verlassen, alle anderen müssen abwarten, bis die gesamte Quarantänezeit beendet wird. Wie lange das dauert ist nicht abzusehen. Da das Gesundheitsamt fünf bis sechs Tage braucht, um die Testergebnisse mitzuteilen, müssen die Menschen zusätzlich oft länger als nötig im Isolierbereich ausharren.
Das ANKER-Zentrum in Geldersheim stand indes schon mehrfach unter Quarantäne. Bereits im Frühjahr war die Einrichtung für acht Wochen dichtgemacht worden, als dort die ersten Infektionen unter Bewohner*innen auftraten.

Ein weiteres Beispiel ist die von der Regierung von Oberfranken betriebene Gemeinschaftsunterkunft in Weismain. Seit Freitag, den 23. Oktober, befinden sich die ca. 250 Bewohner*innen unter Quarantäne. Die Unterkunft wird von Polizei und Securities abgeriegelt. Lebensmittel zur Versorgung der Menschen wurden allerdings erst am darauffolgenden Montag bereitgestellt. Bis dahin wurden die Menschen sich selbst überlassen, was ihre Verpflegung betrifft.

Eine adäquate Beratung der Menschen durch Sozialdienste und Beratungsstellen für besonders vulnerable Geflüchtete ist kaum mehr möglich, obwohl diese gerade jetzt dringend nötig wäre. Beratungen per Telefon und E-Mail oder im Schutzanzug durch nur eine Person sind nicht ausreichend und stellen die Menschen vor große Hürden. In den ANKER-Einrichtungen sind teilweise die Rechtsannahmestellen nicht besetzt, obwohl Bescheide weiterhin verschickt werden. Aus vielen Unterkünften wird auch nach wie vor abgeschoben.

Hier gibt es die gesamte Pressemitteilung von uns dazu zu lesen


Anzeige gegen Bayerisches Innenministerium verläuft im Sande

Am 02. April 2020 stellte der Bayerische Flüchtlingsrat Strafanzeige gegen die Verantwortlichen für die Unterbringung von Geflüchteten, wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz. Die Anzeige ging gegen alle Bezirksregierungen sowie das Bayerische Innenministerium.

Durch die Unterbringung Geflüchteter in Lagern mit Mehrbettzimmern, werden diese wissentlich der großen Gefahr einer Infektion mit dem Corona-Virus ausgesetzt. Die Betroffenen haben keine Möglichkeit, ihre Verpflichtungen aus der Bayerischen Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen (BayIfSMV) einzuhalten. In Mehrbettzimmern und bei gemeinschaftlicher Nutzung von Küche, Waschräumen und Toiletten, ist es den Bewohner*innen unmöglich, physische Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren und den vorgeschriebenen Mindestabstand von 1,5 m einzuhalten. Die Versorgung mit Lebensmitteln erfolgt, besonders in großen Unterkünften, häufig über zentrale Kantinen. Diese verstoßen laut BayIfSMV gegen das Verbot gastronomischer Betriebe.

Die zuständige Staatsanwaltschaft Oberbayern leistet der Strafanzeige jedoch keine Folge. Da im Mai das deutsche Infektionsschutzgesetz geändert wurde, sei das angezeigte Verhalten nun auch gemäß der BayIfSMV nicht mehr strafbar. Ordnungswidrigkeiten würden von Amts wegen von der Verwaltungsbehörde weiterverfolgt.

Hier gibt es die gesamte Pressemitteilung von uns dazu zu lesen.


Wissenswertes

Die Zukunft des europäischen Asylsystems

Ende September hat die Europäische Kommission ihr neues Migrations- und Asylpaket vorgelegt. Die Vorschläge für neue Verordnungen, die mit dem »New Pact« vorgestellt wurden, werden ab jetzt zwischen der Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament verhandelt. Der Zeitplan der Kommission sieht eine schnelle Einigung vor, um endlich die vielbeschworene „gesamteuropäische Lösung“ vorweisen zu können. Ob, wie geplant, noch in diesem Jahr Einigungen erzielt werden, ist allerdings fraglich.

Dieses neue Europa möchte Schutzsuchende dann in gefängnisgleichen Lagern „empfangen“ und ihre „Asylwürdigkeit“ in Schnellverfahren feststellen, bzw. im Zweifelsfall durch fehlenden rechtlichsschutz auch schnell wieder abschieben.  Die Solidarität drückt sich nicht in Aufnahmeregelungen sondern in der Zusammenarbeit bei Abschiebungen aus.

Für einen Überblick und Kontextualsierung findet Ihr hier bei Pro Asyl mehr Informationen.

Eine tiefergehende Zusammenfassung des Vorschlags kann mensch hier ebenfalls bei Pro Asyl nachlesen.

Um dagegen aktiv zu werden, unterschreibt die Onlinepetition von Pro Asyl.

Im Bundestag  fand am 26. Oktober 2020 eine Anhörung von Sachverständigen im Ausschuss für Inneres und Heimat statt. Die Stellungnahmen können dort nachgelesen werden, darunter auch die gemeinsame Stellungnahme von ECRE und über 80 Organisationen vom 6.10.2020.

Aus Deutschland haben unterzeichnet: PRO ASYL, Diakonie Deutschland, Amnesty International, Der Paritätische Gesamtverband, AWO Bundesverband, Deutscher Caritasverband, Jesuiten-Flüchtlingsdienst


Übersicht über die einzelnen Formen der Duldung

Die Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V. hat eine hilfreiche Übersicht über die einzelnen Formen der Duldung erstellt. Diese findet ihr hier.


Musterschriftsatz zur Klage gegen Aussetzung der Dublin-Frist

Aufgrund der Corona-Pandemie hat das BAMF neben den Dublin-Überstellungen auch die Überstellungsfristen ausgesetzt und stützt letzteres auf § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art 27 Abs. 4 Dublin-III-VO.

Hier gibt es Praxishinweise von Pro Asyl und Equal Rights Beyond Borders dazu.

Pro Asyl und Fluchtpunkt stellen einen Musterschriftsatz für Klagen gegen die Aussetzung der Abschiebungsanordnung (§ 80 Abs. 4 VwGO) wegen der Corona-Pandemie, was zu einer Unterbrechung der Dublin-Fristen führen soll, zur Verfügung.

Dieser ist hier abrufbar.

Veranstaltungen

12.11.2020: (K)ein Ort für Frauen? Flüchtlingsunterkünfte in Bayern Online-Vortrag | 18.30-20.00 Uhr

Im Rahmen der Aktionswochen gegen Gewalt an Frauen vom 8.-25.11.2020 | das gesamte Programm der Aktionswochen und weitere Informationen finden Sie hier

Online-Vortrag mit anschließender Diskussion und Austauschzur Situation in bayerischen Flüchtlingsunterkünften, gewaltbegünstigende Strukturen, Schutzkonzepte, Gewaltschutzkoordinator*innen, die Umsetzung der Istanbul-Konvention, über Fortschritte und Möglichkeiten, Schwierigkeitenund Bedarfe zum Gewaltschutz geflüchteter Frauen in Bayern.

Anmeldung unter: frauen@fluechtlingsrat-bayern.de

Konkret helfen

Spendenaufruf für die Rückkehr von abgeschobenen Afghanen

Die gute Nachricht zuerst: N, ein junger Afghane, der 2018 aus der Gegend Neu-Ulm abgeschoben wurde, kurz bevor er die letzte Prüfung für den Quali schreiben konnte, ist wieder da! Mit riesigem Engagement der ehrenamtlichen Unterstützer*innen gelang es, ihn wieder herzuholen. Er konnte im September seine Lehre beginnen. Das hat nicht nur Zeit und Nerven gekostet, sondern auch eine Stange Geld. Hilfen zum Lebensunterhalt, Gebühren, die Kosten für den Flug, und schließlich die Begleichung der Abschiebekosten summierten sich zu rund 10.000 Euro, die von den Ehrenamtlichen getragen bzw. vorgestreckt wurden. Wir freuen uns, dass wir zur Begleichung dieser Kosten einen Betrag von 1.500 Euro zuschießen konnten. Ihre Spenden, vielen Dank!!

Gleichzeitig haben wir erfahren, dass nach einigen Monaten „Coronapause“ die Abschiebungen nach Kabul im November vermutlich wieder aufgenommen werden. Es geht also weiter. Bitte schauen Sie in Ihrem Umfeld, ob es gefährdete Personen gibt und ob hier rechtlich Möglichkeiten für einen Aufenthalt bestehen. Es ist besser, die Abschiebung gleich zu verhindern.

Und schließlich möchten wir euch wieder und erneut um Spenden bitten. Wir unterstützen aktuell M, der seit einigen Monaten auf der Insel Lesbos festsitzt. Er wurde vor rund einem Jahr nach Kabul abgeschoben. Sein Arbeitgeber möchte ihn gern zurückhaben und bietet einen Ausbildungsplatz. Aber auch hier müssen vorher die Abschiebekosten in Höhe von mehr als 4.000 Euro vorher bezahlt werden. Sonst reduzieren die Behörden die Wiedereinreisesperre nicht.

Auch unterstützen wir F. Er wurde vor knapp eineinhalb Jahren abgeschoben. Seitdem versucht er mit einem Visum zum Familiennachzug wieder zu seiner Frau und mittlerweile auch zu seinem Kind nach Deutschland zu kommen. Wegen Corona wurde der Termin bei der Botschaft im Frühjahr abgesagt. Auf diesen hatte er mehr als 1 Jahr gewartet. Nun kam vor einigen Wochen das gemeinsame Kind auf die Welt. Das junge Paar hofft, zumindest an Weihnachten endlich wieder vereint zu werden.

Das heißt: Mit Ihrer Spende können Sie helfen, dass M und F wieder zurück kommen können.  Wer etwas übrig hat – Spenden bitte über Betterplace.