Änderung Abschiebungspraxis Irak
Wir möchten Sie auf eine wichtige Veränderung bezüglich Abschiebungen in den Irak aufmerksam machen, die wir leider seit Beginn 2023 beobachten.
Was hat sich geändert?
Bisher galt für Personen ohne relevante strafrechtliche Verurteilungen, dass sie nicht abgeschoben wurden. Das hat sich spätestens seit Mai 2023 geändert. Uns sind leider immer mehr Einzelfälle bekannt, in denen es Abschiebungen in den Zentral-Irak gab. Für den 01.11. war eine Sammelabschiebung geplant, die jedoch aus uns noch unbekannten Gründen kurz vorher storniert wurde. Darüber hinaus gibt es Einzelabschiebungen auf Lininenflügen (bisher ohne Begleitung).
Wie war es bis Ende 2022, wenn Geduldete Iraker:innen Ihren Pass abgegeben haben
Bis 2022 und auch in den ersten Monaten 2023 fanden bis auf Ausnahmen bei strafrechtlich verurteilten irakischen Staatsangehörigen keine Abschiebungen in den Irak statt. Deshalb rieten Anwält:innen und Beratungsstellen allen Iraker:innen dazu, Pässe zu besorgen und abzugeben. Nur mit Passvorlage oder Mitwirkung bei der Passbeschaffung hatten sie die Möglichkeit auf eine Arbeitserlaubnis und Bleiberechtsperspektiven für langjährig Geduldete (§ 25 a und b AufenthG). Weiterhin konnten durch die Passbeschaffung hohe Strafen wegen Passlosigkeit verhindert werden. Generell gilt in Deutschland für Ausländer:innen die Passpflicht. Wer diese nicht erfüllt, kann zu hohen Geldstrafen verurteilt werden. Eine Geldstrafe wiederrum kann ein Bleiberecht verhindern oder zu Ausweisungen führen. Es kann also sein, dass ihr:e Anwält:in/Ihre Beratungsstelle Sie heute mit einem anderen Kenntnisstand berät als letztes Jahr.
Wir empfehlen allen geduldeten Iraker:innen, die ihren Pass abgegeben haben, nochmal ihre Anwaltskanzlei oder eine Beratungsstelle zu kontaktieren. Wenn die Ausländerbehörde auf eine Abschiebung hingewiesen hat und/oder Ihnen die Arbeitserlaubnis entzogen hat, sollten Sie auf jeden Fall eine:n Anwält:in oder eine Beratungsstelle kontaktieren.
Wer zählt zur Risikogruppe?
Betroffen sind geduldete Personen und Familien mit und ohne strafrechtliche Verurteilungen, die einen Pass abgegeben hatten. Wer eine Duldung aus rechtlichen Gründen besitzt (Familie oder Reiseunfähigkeit), kann – solange diese rechtlichen Gründe weiterbestehen – nicht abgeschoben werden. Wer nur aus dem Grund geduldet war, dass keine Abschiebung möglich war, zählt jetzt zur Risikogruppe.
Wir beobachten bisher bei den uns bekannten Fällen, dass vor allem Personen, die noch nicht so lange (unter zwei Jahre) in Deutschland leben und deren Asylverfahren erst kürzlich abgelehnt wurden, abgeschoben wurden oder werden sollen. Das sind also diejenigen Menschen, die noch nicht die Voraussetzungen für ein Bleiberecht nach § 25 a oder b AufenthG (Aufenthaltstitel für gute Integration) erfüllen und auch nicht in den Chancenaufenthalt nach § 104 c AufenthG fallen. Aber auch Personen, die schon etwas länger mit Duldung hier leben, sind in der Risikogruppe. Vor allem Personen, die die Voraussetzungen für ein Bleiberecht nach §§ 25 a oder b erfüllen, sollten unbedingt die entsprechenden Anträge stellen.
Was ist der Grund für die neue Abschiebepraxis?
Der Irak hat vermutlich seine Kooperationsbereitschaft gegenüber der Aufnahme von abgelehnten Asylsuchenden geändert. Wir nehmen an, dass diese gestiegene Kooperationsbereitschaft mit dem Migrationsabkommen zusammenhängt, welches Deutschland und der Irak im Mai 2023 laut Medienberichten unterzeichnet haben. [1] Alle uns bisher bekannten Abschiebungen fanden ohne Begleitung der Bundespolizei statt.
Welche Fälle und welche Ausländerbehörden sind uns bekannt?
Alle uns bekannten Person waren vollziehbar ausreisepflichtig (Duldung, ungültig gestempelte Duldung, Grenzübertrittsbeschenigung) und hatten aufgrund der damaligen Sachlage ihren Pass abgegeben. Zum damaligen Stand war es auch richtig und nötig, den Pass abzugeben. In unserer Beratung gab es zudem ein paar Einzelfälle, bei denen Ausländerbehörden vor einer geplanten Abschiebung in den Irak Duldungen sowie Arbeitserlaubnisse entzogen haben. Aufgefallen ist uns dabei vor allem die Zentrale Ausländerbehörde Schwaben sowie das Landratsamt Landshut.
Was kann getan werden?
Treffen Sie keine überstürzten Entscheidungen. Keine Panik. Informieren Sie sich und lassen Sie sich in Ruhe beraten. Manchmal ist auch eine zweite Meinung hilfreich. Personen, die aktuell geduldet sind oder deren Duldungen nicht verlängert werden und die ihre Pässe abgegeben haben, sollten jetzt eine Beratungsstelle aufsuchen.
Wir empfehlen allen geduldeten Iraker:innen, die ihren Pass abgegeben haben, nochmal ihre:n Anwält:in oder eine Beratungsstelle zu kontaktieren. Wenn die Ausländerbehörde Ihre Arbeitserlaubnis weggenommen hat, sollten Sie auf jeden Fall eine:n Anwält:in oder eine Beratungsstelle kontaktieren.
Wir bitten außerdem um Rückmeldungen per E-Mail mit Betreff: „Rückmeldung Irak Abschiebung“, wenn Ihnen Fälle bekannt sind, in denen irakischen Personen die Duldung oder Arbeitserlaubnis entzogen wurde, ihnen die Abschiebung neu angedroht, versucht oder vollzogen wurde.
[1] https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/migrationsabkommen-deutschland-irak-100.html