Beratung in der Ausländerbehörde ist kein Zielkonflikt

Diskussionen über Nürnberger Ausländerbehörde gehen in die nächste Runde

Am Donnerstag, den 15.10.2020, 15:00 Uhr, wird der Antrag der Grünen zur „Neuausrichtung der Ausländerbehörde“ in der Kommission für Integration erneut behandelt. Am 16.9.2020 wurde dieser bereits im Rechts- und Wirtschaftsausschuss des Nürnberger Stadtrats diskutiert. Die Grünen fordern darin unter anderem, dass die Ausländerbehörde ihre Ermessensspielräume zu Gunsten der Antragssteller*innen auslege, das Beratungsangebot professionalisiere und kundenorientiertere Angebote anbiete. In ihrer Stellungnahme zu dem Antrag weist die Stadt Nürnberg jegliche Kritik von sich und lehnt die Forderungen aus dem Antrag ab. Der Bayerische Flüchtlingsrat hat sich gemeinsam mit Wohlfahrtsverbänden und Menschenrechtsinitiativen bereits im Juni mit einem offenen Brief an den Nürnberger Stadtrat gewandt und Kritik und Wünsche formuliert. Auf den offenen Brief wurde von Seiten der Stadtverwaltung bis heute nicht reagiert.

In den Nürnberger Nachrichten („Leitung will von ‚Neuausrichtung‘ nichts wissen“, 24.9.2020) äußert sich die Stadtverwaltung zu ihren Beweggründen, den Antrag abzulehnen. So räumt sie zwar ein, Ermessensspielräume bei manchen Entscheidungen zu haben, sieht ein grundsätzliches Auslegen des Ermessens zu Gunsten der Antragssteller*innen jedoch als rechtswidrig an.

Es ist ja schon mal ein Zugewinn, dass nun auch die Nürnberger Stadtverwaltung einräumt, sogenannte Handlungs- und Ermessensspielräume zu haben. Dass ein grundsätzliches Ausüben dieser Spielräume zu Gunsten der Antragsteller*innen rechtswidrig sein soll, erschließt sich uns nicht,“ teilt Johanna Böhm, Mitarbeiterin des Bayerischen Flüchtlingsrats, mit. „Ermessensspielräume eröffnen immer den Raum für subjektive Einschätzungen. Die Behörde soll, soweit im rechtlichen Rahmen möglich, die individuellen Gesichtspunkte der Antragssteller*innen einzelfallbezogen wohlwollend prüfen. Das ist nicht rechtswidrig – das ist ihre Pflicht!“

Ein Merkmal, ob eine Behörde professionell arbeitet, ist die dort stattfindende Beratung. In dem oben genannten Artikel teilt die Stadt mit, dass für eine „originäre Beratungstätigkeit“ in der Ausländerbehörde die notwendigen Ressourcen fehlen würden. Weiter wird ein „Zielkonflikt“ angenommen, wenn es um die Erfüllung eines gesetzlichen Auftrags ginge. Heißt: eine Beratung über Möglichkeiten im Aufenthaltsrecht würde der im Aufenthaltsrecht verfassten Ausreisepflicht entgegenstehen. Diesen Zielkonflikt können weder der Bayerische Flüchtlingsrat noch der Arbeitskreis unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Nürnberg und Umgebung erkennen, da die Nürnberger Behörde ja eine im Verwaltungsrecht konstituierte Beratungs- und Fürsorgepflicht ihren Kund*innen gegenüber hat.

„Wir wünschen uns keine Sanktionen für die Ausländerbehörde, sondern lediglich einen guten Weg, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ausländerbehörde sowie die Kundinnen und Kunden ein gutes Zusammenfinden in einer konstruktiven Atmosphäre haben. Hierfür wäre natürlich eine Möglichkeit der Beratung in der Ausländerbehörde von großem Vorteil“, so Priscilla Hirschhausen vom Arbeitskreis unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. „Es geht um eine Lösung für alle Beteiligten, also einen dritten Weg, den wir gemeinsam einschlagen könnten.“