Blackbox Abschiebehaft: Grundrechtsverletzungen, von denen niemand erfährt

Kampagne „100 Jahre Abschiebehaft“ fordert den Zugang zu Beratung für Abschiebehaftgefangene

Im Rahmen der bundesweiten Kampagne „100 Jahre Abschiebehaft“ fand gestern die Münchner Pressekonferenz statt, welche die Aktionstage und Themenwoche rund um Abschiebehaft in Bayern einleitete.

Die Erfahrungen von damals belasten mich noch heute. Ich habe nichts getan und wurde wie ein Strafgefangener behandelt.“ Mit diesen Worten beschreibt Felleke Bahiru Kum seine Erlebnisse in der Abschiebehaft 2006. „Meine Erinnerungen an die Abschiebehaft sind wie eine Narbe, die nicht mehr verheilt.“ Damals wurde Bahiru Kum als Abschiebehäftling mit Strafgefangenen untergebracht. Eine Praxis, die 2014 vom EuGH verboten wurde und nun durch das Geordnete-Rückkehr-Gesetz wieder eingeführt werden soll. Die Zusammenlegung von Strafhaft und Abschiebehaft ist somit nicht nur europarechtswidrig, sondern wird auch von elf von 16 Bundesländern nicht unterstützt laut einer erst kürzlich veröffentlichten Umfrage des „Mediendienstes Integration“. Dennoch wird durch die Ausweitung der Abschiebehaftplätze und der Inhaftierungsmöglichkeiten gerade in Bayern Symbolpolitik betrieben. Die Politik zeichnet damit ein Bild von Migration als Bedrohung und Geflüchtete als Straftäter, welche weggesperrt werden müssen, ob nun durch Abschiebehaft oder der Isolation in Anker-Zentren.  

Der „Münchner Arbeitskreis 100 Jahre Abschiebehaft“ kritisiert die Entrechtung Geflüchteter durch den neuen Gesetzesentwurf: „Obwohl Abschiebehaft in vielerlei Hinsicht die Grundrechte der Geflüchteten verletzt, soll sie erweitert und häufiger anzuordnen sein“, so die Rechtsanwältin Anna Frölich von der Münchner Kanzlei Wächtler und Kollegen. „So sollen Geflüchtete bei dringendem Verdacht der Fluchtgefahr ohne vorherige richterliche Anordnung in Gewahrsam genommen werden können. Das widerspricht in jeder Hinsicht grundgesetzlichen Vorgaben.

Auch ohne die neuen Gesetzesverschärfungen ist Abschiebehaft in vielerlei Hinsicht skandalös: „Etwa die Hälfte der Abschiebehaftanträge sind rechtswidrig, doch solange kein Zugang zu den Inhaftierten gegeben ist, erfahren Helfer und Anwälte oft zu spät von den Inhaftierungen“, betont Frank Gockel, Initiator der bundesweiten Kampagne und seit 25 Jahren tätiger Berater in der Abschiebehaft in Büren.

Loulou Kinski vom Münchner Flüchtlingsrat hat Anfang des Jahres den Zugang zur Abschiebehaft am Münchner Flughafen beantragt, doch momentan wartet sie noch auf eine Antwort vom Landesamt für Asyl und Rückführung. „Solange sind die Menschen in der Haft ohne Unterstützung und damit ohne Schutz vor unrechtsmäßiger Freiheitsentziehung“, beklagt Kinski.

Auch Felleke Bahiru Kum ist 2006 nur durch die Unterstützung von Aktivist*innen der Karawane München und Mitarbeiter*innen des Bayerischen Flüchtlingsrates aus der Abschiebehaft wieder entlassen worden. Er sollte insgesamt dreimal abgeschoben werden, zweimal saß er bereits im Flugzeug. Mittlerweile hat er in Deutschland studiert und einen Aufenthalt. „Hätte ich nicht in der Abschiebehaft Beratung bekommen und wäre so nicht die Zusammenarbeit der äthiopischen konsularischen Vertretungen mit deutschen Ausländerbehörden ans Licht gekommen, wäre ich nun nicht mehr hier“, sagt Bahiru Kum.

Alle Informationen zu den bundesweiten Aktionstagen finden Sie hier: http://100-jahre-abschiebehaft.de/
Alle Informationen zu den Aktionstagen in Bayern finden Sie hier: https://abschiebehaftbayern.noblogs.org/

Das Magazin Hinterland des Bayerischen Flüchtlingsrates hat sich in einer eigenen Ausgabe dem Thema Abschiebehaft gewidmet. Hier können Sie das Magazin online lesen: http://www.hinterland-magazin.de/