#offengeht: Fünf Jahre nach dem Sommer der Flucht

»Menschen sind gekommen und das war gut so!« ziehen 27 zivilgesellschaftliche Organisationen fünf Jahre nach dem Sommer der Flucht Bilanz. Die Aufnahme von Geflüchteten wurde dank des Einsatzes von Haupt- und Ehrenamtlichen und des Engagements der Geflüchteten selbst zu einer Erfolgsgeschichte. #offengeht ist eine Erklärung von Pro Asyl und weiteren Organisationen und Intitiativen für eine offene Gesellschaft.

Menschen sind gekommen. Ohne dass wir sie gerufen hätten. Menschen sind gekommen, weil sie vor Bomben und Kugeln, vor Terror und politischer Verfolgung, vor Folter und Misshandlung fliehen mussten. Sie flohen aus den Kriegs- und Krisengebieten in Syrien, Afghanistan, dem Irak, Eritrea oder Somalia. Sie flohen, weil sie dort keine Perspektive hatten und die Türkei als Durchgangsland kein Staat ist, der dauerhaft Schutz gewährt.

Menschen sind gekommen. Und Menschen haben sie aufgenommen

Menschen sind gekommen. Und Menschen haben sie aufgenommen. Schon das allein ist eine Erfolgsgeschichte. Dieser lange Sommer der Flucht im Jahr 2015 traf auf eine lebendige Humanität, Empathie und die Idee der Menschenrechte verwirklichenden Zivilgesellschaft. Und dann wurde aus der Aufnahme Geflüchteter sogar noch in vielen anderen Hinsichten ein Erfolg.

Der Sommer der Flucht löste eine Welle der Solidarität aus. Während die Politik debattierte, machten sich Zehntausende in Deutschland buchstäblich über Nacht auf, um gravierende Leerstellen in der Aufnahme und Versorgung der Geflüchteten zu füllen. Auch bzw. besonders in Bayern, haben sich in kürzester Zeit unzählige Helfer*innen- und Unterstützungsnetzwerke gegründet, die zum Teil heute noch bestehen.

Dieses ehrenamtliche Engagement wurde seitens der politisch Verantwortlichen zwar zunächst gelobt – doch dem »Sommer des Willkommens« folgte unmittelbar eine Politik der Abschreckung, Ausgrenzung und Entrechtung von Flüchtlingen.

Kein Teil der Erfolgsgeschichte: Den Rechtspopulist*innen hinterherlaufen

Eine Verschärfung des Asylrechts oder der Behördenpraxis folgte seither auf die andere. Erhöhte Stimmanteile für Rechtspopulist*innen sorgten dafür, dass auch die Regierungsparteien Wortwahl und Agenda von rechts außen teilweise übernommen und in Gesetzesform gegossen haben. Die Liste der Verschärfungen zu Lasten von Geflüchteten ist lang: Asylpaket I, Asylpaket II, Erstes „Hau-Ab-Gesetz“, Familiennachzugsregelung, Desintegrationsgesetz, Migrationspaket oder Zweites „Hau-Ab-Gesetz“

Politik behindert Engagement

All das sorgt nicht nur dafür, dass das Ankommen für Flüchtlinge in Deutschland immer weiter erschwert wurde, sondern behindert auch die tolle Unterstützung der vielen engagierten Menschen. Ein Beispiel: Einige Arbeitgeberinnen, die auch auf Appelle aus der Politik hin Geflüchtete angestellt und in Ausbildung gebracht haben, müssen sich nun immer noch mit bürokratischen Hürden beschäftigen. Und immer wieder werden Betrieben dringend benötigte Mitarbeiterinnen durch Abschiebungen entrissen.

Dabei ist es ist ein Irrtum, zu denken, dass man gegenüber Flüchtlingen die Grenzen schließt, Stimmung schürt und eine Gesetzesverschärfung nach der anderen auf den Weg bringt, und gleichzeitig Hochqualifizierte mit offenen Armen empfangen kann. Rassistische Haltungen fragen nicht danach, mit welchem Aufenthaltsstatus ein Mensch hier lebt. Sie treffen alle in unserem Land, die als fremd markiert werden.

Trotz Restriktionen und Rassismus: Immer mehr Arbeitnehmende und Studierende

Und trotzdem: Viele Geflüchtete konnten all diese Hürden überwinden. Nicht nur, dass (wie schon erwähnt) zunehmend Menschen mit Fluchterfahrungen in regulären Arbeitsverhältnissen sind, auch sind mehrere Tausend Geflüchtete mittlerweile an deutschen Universitäten immatrikuliert – 18 mal so viele, wie noch 2016.

Zeitgleich wurden mit den Menschen, die neu zu uns gekommen sind, bestehende gesellschaftliche Probleme offengelegt: Eklatanter Mangel an bezahlbarem Wohnraum, über Jahrzehnte hinweg entstanden durch ungehemmte Bodenspekulation und die systematische Vernichtung von Sozialwohnungen; die Vernachlässigung des ländlichen Raums und ein marodes und chronisch unterfinanziertes Bildungssystem.

Unser Ansinnen ist es, gemeinsam eine solidarische Gesellschaft auf dem Fundament der Menschenrechte zu schaffen

Für all das sind die Geflüchteten jedoch weder Ursache noch verantwortlich. Unser Ansinnen ist es, gemeinsam mit ihnen eine solidarische Gesellschaft auf dem Fundament der Menschenrechte zu schaffen. Denn die Erfahrungen seit 2015 zeigen: #offengeht!

Deshalb fordern die Unterzeichnenden, unter anderen der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Neuen Deutschen Medienmacher, landesweite Flüchtlingsräte sowie zahlreiche weitere Organisationen der Asyl- und Integrationsarbeit auf Bundes- und Landesebene, ein radikales und an Menschenrechten orientertes Umdenken in der deutschen Geflüchtetenpolitik. Alle unsere Forderungen sowie mehr zur Kampagne #offengeht gibt es bei Pro Asyl.