Personen auf deutscher Evakuierungsliste wurden brutal ermordet
Taliban töten Staatsanwalt Naqi Mohammad Taqi und seine Schwester
Vermeidbare Todesfälle zeigen die erschreckende Lage von Afghan:innen, die auf die Evakuierung im Rahmen des deutschen Aufnahmeprogramms warten. Außenministerin Annalena Baerbock versprach Anfang des Jahres 2023 monatlich 1.000 gefährdete Personen zu evakuieren. In ihrer Pressemitteilung Ende letzten Jahres sicherte sie zu: „Es wird eine gemeinsame Kraftanstrengung, dass wir die Ziele auch erreichen, die wir uns gesteckt haben. Wir werden nicht lockerlassen.” Tatsächlich wurden bis jetzt weit unter 1000 Personen über das Bundesaufnahmeprogram evakuiert. “Nicht lockerlassen”, sieht anders aus.
Afghanische Aktivist:innen von AfgActivistCollective machen auf den Fall des ehemaligen Staatsanwaltes Naqi Mohammad Taqi und seiner Schwester aufmerksam[1]. Taqi und seine Familie standen auf einer der Evakuierungslisten des Bundes. Trotz starker Betonung wie akut die Bedrohung gegen ihn und seine Familie ist, verzögerte sich die Evakuierung immer weiter, bis er und seine Schwester schließlich von den Taliban brutal ermordet wurden. Fälle wie dieser unterstreichen die Mängel im deutschen Evakuierungsprogramm. Trotz akuter Gefahr wurde ihr Antrag erheblich verzögert. Eine weitere tödliche Schwachstelle des Aufnahmeprogramms: Der Tod des Hauptantragstellers führt zur Annullierung des Antrags, wodurch deren Familien ungeschützt bleiben. Es besteht ein dringender Handlungsbedarf, um das Programm inklusiver und reaktionsfähiger zu gestalten und Familien vor dem Tod zu bewahren.
Die prekäre Lage verfolgter Menschen in Afghanistan setzt sich fort, da sie nach wie vor systematischer Folter und Ermordung durch die Taliban ausgesetzt sind. Paradoxerweise erhalten Mitglieder der Taliban Schengen-Visa[2], während evakuierte afghanische Asylsuchende an den europäischen Grenzen ihr Leben verlieren. Angesichts dieser schmerzlichen Realität drängt sich die Frage auf, wie es dazu kommen konnte, dass diejenigen, die dringend Unterstützung benötigen, im Stich gelassen werden.
Aktivist:innen des AfgActivistCollectives dazu: “Während sich Taliban-Terroristen in Deutschland eine Lobby aufbauen können, setzen wir uns unermüdlich dafür ein, die Verbrechen des Terrorstaats Afghanistan ans Licht zu bringen. Neben der Normalisierung der Gender-Apartheid in Afghanistan, hat die Nato Listen mit Namen von Arbeitnehmern hinterlassen, die nun gejagt werden. Deutschland steht in der Verantwortung, für die gemachten Versprechen Rechenschaft abzulegen. Nach der eingehenden Auswertung von Tausenden von Fällen drängen wir darauf, Evakuierungsmaßnahmen umgehend auszuführen.”
Nichtregierungsorganisationen wurden dazu aufgefordert, als meldeberechtigte Stelle für das Bundesaufnahmeprogramm Fälle an die Bundesregierung zu melden. Über ein Jahr hinweg investierten sie Tausende von Stunden und arbeiteten mit Hunderten von Personen deren Verfolgungsgeschichten auf. Nur eine geringe Anzahl wurde bisher tatsächlich evakuiert.
„Wir als bayerischer Flüchtlingsrat sind im engen Kontakt mit Personen die in Afghanistan massiven Bedrohungen ausgesetzt sind und dort um ihr Leben fürchten müssen. Viele haben ihr gesamtes Hab und Gut in Afghanistan verkauft und ihr Leben dort aufgegeben um die Reise nach Pakistan finanzieren zu können. Jetzt warten sie dort vergeblich auf eine Antwort der Bundesregierung. Die Angst ist groß, dass in Pakistan statt der Evakuierung nach Deutschland die Abschiebung nach Afghanistan droht. Es ist Zeit für sofortige und entschiedene Maßnahmen der deutschen Regierung und der internationalen Gemeinschaft. Leben stehen auf dem Spiel und die Zeit drängt. Es reicht nicht, Versprechen zu machen!“, so Naqib Hakimi, Bayerischer Flüchtlingsrat.