Sammelabschiebung nach Äthiopien!

Bayern schiebt Traumatisierte in Perspektivlosigkeit ab | Bayerischer Flüchtlingsrat: Bayerns Politik ist nicht grenzenlos solidarisch, sondern grenzenlos lebensgefährlich

Zunächst waren es Gerüchte – nun hat es sich bestätigt. Am heutigen Dienstag, den 23.03.2021, soll eine Sammelabschiebung nach Äthiopien gehen, vermutlich vom Flughafen München. Sammelabschiebungen nach Äthiopien sind ein Novum. Jahrelang gab es dorthin kaum Rückführungen. Im Oktober 2020 ging der erste uns bekannte Sammelabschiebeflug mit zehn Personen ebenfalls von München nach Addis Abeba. Insgesamt wurden im letzten Jahr 11 Personen nach Äthiopien abgeschoben.

In Äthiopien schwelt indessen weiter ein drohender Bürgerkrieg. Vor allem in der Region Tigray im Norden des Landes tobt seit Monaten ein militärischer Konflikt mit unzähligen Opferzahlen. Menschenrechtsverletzungen sind an der Tagesordnung, der Zugang zu Trinkwasser, Nahrung und medizinischer Versorgung ist für viele Menschen vor Ort stark eingeschränkt. Zudem ist das Wirtschafts- und Gesundheitssystem Äthiopiens nach wie vor schwer von der Covid-19 Pandemie wie auch der letztjährigen Heuschreckenplage betroffen. Es droht eine humanitäre Krise.

Das bestätigt auch Neguss A., der im August 2018 nach Äthiopien abgeschoben wurde. Nachdem er kürzlich Addis Abeba verlassen musste, da er dort als Angehöriger der Tigrinya keine Arbeit gefunden und Angst vor politischen Auseinandersetzungen hatte, lebt er aktuell in einem Geflüchtetenlager in der Shire. Dort gibt es weder fließend Wasser noch Strom, geschweige denn Schutz vor Corona. Und auch Mimi T., die im Dezember 2020 nach Äthiopien abgeschoben wurde, erzählt, dass die wirtschaftliche Situation sehr schwierig sei. Wohnraum ist teuer, Arbeit gibt es kaum. Sie ist nach wie vor auf Unterstützung durch deutsche Bekannte angewiesen.

„Bayernweit schmücken sich Politiker:innen mit Veranstaltungen zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus, die derzeit unter dem Motto ‚Solidarität.Grenzenlos.‘ stattfinden. Gleichzeitig bereiten sie eine Sammelabschiebung in ein Land vor, das kurz vor dem Bürgerkrieg steht. Das ist an opportunistischer Menschenfeindlichkeit kaum zu überbieten“, kritisiert Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat.

Mit an Bord ist aller Voraussicht nach auch Sara A., über die wir bereits mehrfach berichteten. Sara ist 21 Jahre alt und in Nürnberg geboren. Sie ist schwer traumatisiert und massiv drogenabhängig. Sara spricht keine der in Äthiopien gesprochenen Sprachen. Auch Hussen Adem Eshetu aus Bayreuth ist vermutlich von der Abschiebung betroffen. Hussen gilt laut Unterstützer:innen als suizidal und steht unter gesetzlicher Betreuung. Der Mann ist schwer traumatisiert, da er in Äthiopien inhaftiert und Opfer von Folter und Misshandlungen wurde.

„Dieser Abschiebeflug muss gestoppt werden! Bayerische Behörden schieben mal wieder höchst vulnerable Menschen in die absolute Perspektivlosigkeit ab. Unsere Befürchtungen sind groß, dass sich die betroffenen Personen in lebensbedrohlichen Umständen wiederfinden werden“, so auch Katharina Grote vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Die bayerische Geflüchtetenpolitik ist nicht grenzenlos solidarisch – sie ist grenzenlos lebensgefährlich!“