Samuel D. akut von Abschiebung bedroht

Chancenaufenthaltsrecht der Bundesregierung tritt bald in Kraft / Bayern versucht vorher noch schnell, einen Geflüchteten nach Äthiopien abzuschieben, der davon profitieren könnte

Samuel D. aus Nürnberg versteht die Welt nicht mehr. Seit 12 Jahren lebt er in Deutschland, hat seit 2016 gearbeitet und damit seinen Lebensunterhalt selbst bestritten. Bei DHL belud er die Zustellfahrzeuge. Er ist ein wichtiger und geschätzter Mitarbeiter, nicht nur, weil das Weihnachtsgeschäft auf Hochtouren kommt. Dennoch wurden ihm Duldung und Arbeitserlaubnis entzogen, ihm droht akut die Abschiebung.

Die Zentrale Ausländerbehörde Mittelfranken (ZAB) verlangt seit Jahren von Samuel D., dass er sich einen äthiopischen Nationalpass besorgt. Er hat immer seine Mitwirkungspflichten erfüllt, war mehrfach bei der äthiopischen Botschaft in Berlin und hat Vertrauensanwälte der deutschen Botschaft in Addis Abeba beauftragt, ihn bei der Bestätigung seiner Identität zu unterstützen. Nach Jahren ergebnisloser Versuche ist es ihm gelungen, Identitätsdokumente zu bekommen, und hat dann einen äthiopischen Pass bei der Botschaft in Berlin beantragt.

Die ZAB hatte Samuel D. vage in Aussicht gestellt, dass er eine Aufenthaltserlaubnis bekommen könnte, wenn er seinen Pass vorlegt. Er hat deshalb gutgläubig und leichten Herzens ein Bleiberecht beantragt und 2 Wochen später seinen Pass bei der ZAB abgegeben. Diese hat ihm daraufhin seine Duldung entzogen, eben weil er den Pass vorgelegt hat und damit sein Duldungsgrund der Passlosigkeit weggefallen sei. Seitdem hat er nur noch eine Grenzübertrittsbescheinigung. Sein Antrag auf Bleiberecht wurde anschließend abgelehnt, weil Samuel nicht mehr über eine Duldung verfügt – so hat die ZAB selbst die negativen Fakten geschaffen, die zur Ablehnung des Antrags geführt haben.

Beim Verwaltungsgericht Ansbach ist eine Klage gegen die Ablehnung des Bleiberechts anhängig, die jedoch keine aufschiebende Wirkung hat. Ein erster Eilantrag, dass Samuel D. bis zur Verhandlung bleiben darf, wurde vom VG Ansbach abgelehnt, dagegen läuft eine Beschwerde beim bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München. Die Abschiebung droht jeden Tag.

Der Bayerische Flüchtlingsrat hat eine Petition für Samuel D. an den Bayerischen Landtag gestellt, mit der Forderung, ihm das Bleiberecht zu gewähren oder ihn hilfsweise zu dulden, bis er den Chancenaufenthalt bekommt. Denn er erfüllt sowohl für das neue Chancenaufenthaltsrecht der Bundesregierung, als auch für die bestehende Bleiberechtsregelung nach §25b AufenthG alle Voraussetzungen – außer der Duldung, die ihm von der ZAB entzogen wurde.

Auch für Samuel D. muss gelten, was das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss von 1999 den Ausländerbehörden aufgegeben hat: Geflüchtete, die von einer unmittelbar bevorstehenden Bleiberechtsregelung profitieren können, dürfen nicht abgeschoben werden.

Wir sind entsetzt! Kurz bevor das Chancenaufenthaltsrecht in Kraft tritt, ignorieren bayerische Behörden ganz offensichtlich das Bundesverfassungsgericht und setzen alles daran, noch schnell Geflüchtete abzuschieben, die von der neuen Bleiberechtsregelung profitieren könnten“, kritisiert Alexander Thal. „Wir fordern Innenminister Herrmann auf, die Abschiebung von Samuel D. und die weiterer Betroffener sofort auszusetzen!