Staatsregierung verliert im Abschiebewahn jedes Augenmaß

Bayerischer Flüchtlingsrat fordert: Wahlkampfmodus ab- und Verstand einschalten

Die breit herumgetragene Forderung, Abschiebungen zu intensivieren, gilt vielen als Entlastung der Kommunen von Geflüchteten. Heute besuchen der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder sowie der Bayerischen Innenminister Joachim Herrmann das Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen (LfAR), um die Zahl der Abschiebungen weiter zu erhöhen. Der Bayerische Flüchtlingsrat stellt hingegen fest, dass Ausländerbehörden und Polizei die Forderung nach mehr Abschiebung so deuten, dass sie skrupellos auch kleine Kinder abschieben, Familien auseinanderreißen, und es der Polizei überlassen, das gewaltsam durchzusetzen.

Ein Beispiel: Vergangenen Montag wurde in einem kleinen Ort im Landkreis Ostallgäu eine jesidische Familie aus dem Schlaf gerissen. Rund zwanzig Polizisten drängten in die Wohnung. Gewaltsam wurden die beiden volljährigen Mädchen zu Boden gebracht. Allen wurden die Handys abgenommen, weshalb rechtswidrigerweise kein Anwalt angerufen werden konnte. Die Eltern und die kleinen Geschwister von neun und sieben Jahren wurden in einen Polizei-Transporter gebracht. Die zwei volljährigen Mädchen machen Ausbildungen in der Pflege und waren nicht betroffen. Eines der Mädchen hatte außer sich vor Sorge einen Nervenzusammenbruch und wurde in Handschellen in die Psychiatrie gefahren. Ein Sohn, gerade 19 geworden, wurde bei der Abschiebung nicht angetroffen. Die Eltern und kleinen Kinder wurden zum Flughafen Frankfurt gefahren, dort dauerte es Stunden, bis die Familie, laut ihrer Darstellung, mit vielen Drohungen, Schlägen und Schubsen, im Flugzeug saß und das Boarding für die anderen Passagiere beginnen konnte. Über Istanbul wurde die Familie nach Bagdad gebracht. Am Flughafen wurde die Familie erst von der Polizei festgehalten, dann morgens um vier mittellos auf die Straße gesetzt.

Die beiden Schwestern, die nun allein zurückbleiben, überlegen, ihre Ausbildungen abzubrechen, um ihren Eltern und kleinen Geschwistern in den Irak zu folgen. „Die Kleinen sprechen nicht kurdisch oder arabisch, sie vermissen ihre Freunde aus dem Kindergarten und der Schule, sie sind völlig hilflos im Irak“, berichtet Jmena, einer der Schwestern.

Vor wenigen Jahren nur wurde an Jesid:innen ein Völkermord verübt. Viele derer, die damals den IS unterstützen, leben nach wie vor dort – Jesiden sind weder willkommen noch sicher im Irak.

„Das Beispiel zeigt, wie die politische Forderung nach Abschiebung dazu führt, dass Ausländerbehörden Verstand und Gewissen ausschalten, um die Abschiebezahlen zu erhöhen. Hier wird eine Familie auseinandergerissen, maßloses Leid verursacht und die Rechte von Kindern mit Füßen getreten. Wir fordern eine Rückkehr zu Augenmaß und Anstand, auch im Umgang mit ausreisepflichtigen Geflüchteten. Unseren Rechtsstaat zeichnet aus, dass wir Menschen menschlich behandeln. Immer.“ kritisiert Stephan Dünnwald, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Das Landesamt für Abschiebungen und die zentralen Abschiebebehörden verschlingen mit rund 1000 Beschäftigten viel Steuergeld. Doch Abschiebungen sind eine Symbolpolitik, die nicht zu einer nennenswerten Reduzierung der Flüchtlingszahlen beiträgt, sondern maßloses Leid verursacht und den Fachkräftemangel verschärft. Söder sollte diesen Holzweg beenden.“