Unterkunftsgebühren sind verfassungswidrig

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Gebührenregelung in der bayerischen Asyldurchführungsverordnung für verfassungswidrig erklärt. Dies gilt für alle Unterkünfte der Bezirksregierungen und der Landkreise – aber nur eingeschränkt für Unterkünfte der kreisfreien Städte. Hier gibt es weitere Informationen sowie Handlungsmöglichkeiten für die Beratungspraxis.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat erneut über die Unterkunftsgebühren für Geflüchtete in Bayern beraten und auch die Neuregelung in der Asyldurchführungsverordnung (DV Asyl) in seinem Beschluss vom 14.04.2021 für unwirksam und verfassungswidrig erklärt. Damit erging es dieser Gebührenregelung wie ihrer Vorgängerregelung, die bereits 2018 vom BayVGH als verfassungswidrig verworfen wurde. Das Bayerische Innenministerium war in der Folge dazu gezwungen, eine Neuregelung zu erarbeiten, die 2019 in Kraft trat. Da diese Neuregelung rückwirkend zum Jahr 2016 galt, waren viele Geflüchtete mit hohen Gebührenbescheiden konfrontiert und sollten für die Zeit ab 2016 bis zu 10.000 € Gebühren nachzahlen. Diese Gebührenrechnungen sind mit dem neuen Beschluss des BayVGH vom Tisch.

Was bedeutet das für die Praxis? Was können betroffene Personen tun?

Die bisherige Gebührenregelung der DV Asyl ist außer Kraft gesetzt – Geflüchtete sollten umgehend entsprechende Zahlungen stoppen. Es dürfen keine neuen Bescheide erstellt sowie keine offenen Gebührenforderungen vollstreckt werden!

Noch nicht rechtskräftige Gebührenbescheide
Gebührenbescheide, die noch nicht rechtskräftig geworden sind (z.B. wegen einer Klage oder weil die Klagefrist noch nicht verstrichen ist), müssen von der zentralen Gebührenabrechnungsstelle aufgehoben werden.

Rechtskräftige Gebührenbeschiede
Bei bereits rechtskräftige Bescheiden, die ab September 2016 erlassen wurden, sowie Bescheide für Januar 2015 bis August 2016, sofern sie ab November 2019 erstellt wurden, bleiben formal in Kraft, dürfen aber nicht mehr vollstreckt werden. Betroffene können bei der Gebührenabrechungsstelle Anträge auf Aufhebung und Rückzahlung der bereits bezahlten Gebühren stellen.

Ältere Gebührenbescheide
Ältere Gebührenbescheide (vor September 2016) dürften ebenfalls rechtswidrig sein. Auch hier können Anträge auf Aufhebung und Rückzahlung bei der Gebührenabrechnungstelle gestellt werden.

Erstattungsbescheide
Erstattungsbescheide, die von der Gebührenabrechnungsstelle erstellt wurden, dürften ebenfalls rechtswidrig sein. Hier könnte Widerspruch gegen die Erstattungsbescheide eingelegt werden. Ist die Widerspruchfrist bereits abgelaufen, kann eine Überprüfung des alten Bescheides beantragt werden.

Bescheide von kreisfreien Städten
Die Gebührenregelung der DV Asyl gilt nur für Unterkünfte der Regierungen und der Landkreise. Die kreisfreien Städte haben deshalb eigene Gebührenregelungen erlassen, die nicht direkt betroffen sind. Dennoch dürften auch diese vielfach rechtswidrig sein, weil sie die Gebührenregelung der DV Asyl übernommen haben. Gegen Bescheide kann geklagt oder Widerspruch eingelegt werden. Bei bereits rechtskräftigen Bescheiden kann die Aufhebung des Bescheides und eine Rückzahlung beantragt werden.

Rechtsanwalt Klaus Schank, der den Beschluss des BayVGH erstritten hat, hat einen ausführlichen Newsletter (04.05.2021) mit Handlungsempfehlungen erstellt:

Medienberichte:
Richter tadeln erneut Gebühren für Flüchtlingsunterkünfte (Die Welt, 01.05.2021)
Asylunterkünfte: Freistaat darf keine „Miete“ verlangen (Bayerischer Rundfunk, 30.04.2021)
Zu teuer! VGH kritisiert Gebühr für Gemeinschaftsunterkünfte (Süddeutsche Zeitung, 29.04.2021)
Gericht kassiert Bayerns Gebührenordnung für Flüchtlingsheime (epd, 29.04.2021)
Unterkunftsgebühren für Geflüchtete erneut verfassungswidrig (Bayerischer Flüchtlingsrat, 29.04.2021)