„Rettet unsere Familien!“

Flüchtlingsrat fordert Aufnahme und Unterstützung für afghanische Familienangehörige / Ansprechstelle und Evakuierung jetzt!

Am heutigen Montag, den 13.09.2021, veranstaltete der Bayerische Flüchtlingsrat eine Protestaktion gegen die Verantwortungslosigkeit der bayerischen Staatsregierung. Bayern hatte lange Zeit mit bundesweitem Abstand am meisten Geflüchtete nach Afghanistan abgeschoben und dabei immer die Mär verbreitet, Afghanistan sei ein sicheres Land. Selbst nach Abzug der westlichen Truppen sei die Lage stabil genug, um abgeschobene Afghanen aufzunehmen.

Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan gehen unzählige Anrufe und Emails mit Hilferufen beim Bayerischen Flüchtlingsrat ein. Viele Afghan:innen, die in Bayern leben, versuchen, ihre Familienangehörigen zu retten und suchen verzweifelt nach Möglichkeiten, sie aus Afghanistan zu evakuieren. Doch niemand in Deutschland will dafür zuständig sein. Beim Auswärtigen Amt gibt es lediglich eine Emailadresse, an die man bedrohte Menschen melden kann – die automatische Antwort teilt jedoch mit, dass es keine Unterstützung mehr gibt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat ein Kontaktformular auf seiner Website, doch auch dort gibt es keine Informationen über das weitere Verfahren.

Die bayerische Staatsregierung geht komplett auf Tauchstation. Auf Nachfrage des Bayerischen Flüchtlingsrats erklärt das bayerische Innenministerium, dass die Aufnahme von gefährdeten Personen aus Afghanistan alleinige Sache des Bundes sei. „Eine Kontaktstelle auf Landesebene gibt es aus diesen Gründen nicht und ist auch nicht geplant. Humanitäre Einzelaufnahmen werden ausschließlich auf Bundesebene organisiert und durchgeführt“.

Während der Kundgebung meldeten sich weitere betroffene Afghan*innen zu Wort. Ein Familienvater, der in Garmisch-Partenkirchen lebt, schaltete per Videocall seine Ehefrau und die beiden Töchter live zu. Alle drei verstecken sich in Kabul, sind in Lebensgefahr und hoffen auf eine schnelle Evakuierung. Ein anderer Afghane sucht händeringend nach einer Möglichkeit, seinen Bruder, der als Journalist tätig ist und eine Mädchenschule aufgebaut hat, mit seiner Familie aus Afghanistan herauszuholen. Beide fordern eindringlich: „Rettet unsere Familien“.

Der Bayerische Flüchtlingsrat zeigt sich entsetzt über die Kaltschnäuzigkeit der bayerischen Staatsregierung. Wenn es um Flüchtlingsabwehr geht, baut Bayern sogar eine eigene Grenzpolizei mit stolzen 1.000 Personalstellen auf, obwohl der Freistaat keinerlei Kompetenzen beim Grenzschutz hat. Wenn es jedoch um die Aufnahme von Geflüchteten geht, duckt sich Innenminister Joachim Herrmann vor seiner Verantwortung mit der dürftigen Begründung, die Aufnahme bedrohter Menschen sei alleinige Bundesangelegenheit. Nicht einmal eine kleine Anlaufstelle mit wenigen Personalstunden darf es geben, um nur ja nicht den Anschein zu erwecken, dass betroffene Afghan:innen Hilfe bekommen könnten.

Wir fordern die bayerische Staatsregierung dringend auf, sofort eine Ansprechstelle für bayerische Bürger:innen zu schaffen, die ihre Angehörigen aus Afghanistan herausholen wollen, egal ob sie deutsche oder afghanische Pässe haben“, fordert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Im Weiteren muss das bayerische Innenministerium schnell die Evakuierung der Familienangehörigen und die Aufnahme weiterer bedrohter Personen über ein Landesaufnahmeprogramm organisieren. Zudem müssen jetzt in Bayern lebende Afghan:innen mit Duldung, die auf absehbare Zeit nicht nach Afghanistan zurückehren können, schnell Zukunftsperspektiven erhalten!

Die während der Kundgebung vorgetragenen Hilferufe haben wir im Anschluss an das bayerische Innenministerium übergeben. Gerne stehen wir für den Aufbau einer Ansprechstelle zur Verfügung!